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Der Traum von der Freiheit und die Wirklichkeit der Schlachtfelder
Lüdenscheid zur Zeit Napoleons

Ein Geschichtsbeitrag der Friedensgruppe Lüdenscheid von Mathias Wagner und Dieter Saal

Am 14. Oktober 1806 besiegten Napoleons Truppen aus Frankreich bei Jena und Auerstätt die Truppen Preußens. 200 000 Soldaten standen sich gegenüber, 30 000 blieben tot auf den Schlachtfeldern zurück. Insgesamt wurden während der 80 Schlachten und Feldzüge Napoleons ca. 1,4 Millionen Menschen getötet, davon ca. 400 000 in Russland. Mit dem 14. Oktober 1806 verlor Preußen die Herrschaft über den Westen seines Gebietes (Westfalen, Kleve, Mark, Berg u.a.), zu dem auch Lüdenscheid gehörte. Das westliche Sauerland wurde 1808-1814 von Westfalen getrennt und dem Großherzogtum Berg angeschlossen. Es musste allein für den Russlandfeldzug 5 000 Soldaten stellen, von denen nur 430 heimkehrten, manche als kriegsversehrte Krüppel.

Für die Grafschaft Mark endete damit die Kantonsfreiheit. Das war in Preußen die Freiheit von der Wehrpflicht, wofür jährlich hohe Zahlungen zu leisten waren: 1771 von Lüdenscheid 219 Reichstaler, von Iserlohn 870 Reichstaler u.a.

Dennoch begrüßten viele die französische Nationalarmee unter Napoleon, den sie für den Vorkämpfer der „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ hielten. Die Forderung nach der Freiheit des Denkens und der Wirtschaft richtete sich gegen die öffentlichen Denkmonopole von Kirchen und Fürsten und gegen die Wirtschaftsmonopole der Adligen und Zünfte.

Ohne Rücksicht auf das Leben und die Würde des Menschen nutzte Napoleon die Tradition seiner Zeit und zwang ca. 1 Million Menschen zum Militärdienst von 8 Jahren. Wer sich der Wehrerfassung entzog, wurde Refraktär, d.h. Widerspenstiger, genannt und verfolgt. Der flüchtige Soldat wurde als Deserteur herabgesetzt und ebenfalls verfolgt. Entsprechend schrieb der damalige Lüdenscheider Bürgermeister Johann Peter Theodor Kercksig an den vorgesetzten Präfekten am 30.10.1809: „Jeder der hiesigen Bewohner hat gelernt, die bisherige starke Desertion zu einem der größten Übel und Nachteile der Gegend zu rechnen.“ Wie unmenschlich die Bestrafung ausfiel, zeigt das folgende Ereignis, das ungefähr 10 Jahre vorher während der Kriege zwischen Napoleons und Österreichs Truppen hier geschah:

Eines Abends klopften „sieben solcher Desertöre an das Tor des alten Buckesfelder Hofes zu Vogelberg. Der gutmütige Bauer gewährte ihnen nach alter guter Sitte Nachtquartier in der Wohnstube, wo sei bald von Müdigkeit übermannt, in tiefen Schlaf verfielen. Sie hatten nicht mit ihren Verfolgern gerechnet, einer Patrouille ihres Regiments, die sie an eben diesem Abend hier erreichte. Die hatten bald herausgefunden, wo ihre Jagdbeute steckte. Sie zwangen den Bauern des Hofes Vogelberg, ihnen vorauszugehen und bei dem Nachbarn Buckesfeld harmlos Einlass zu begehren. Der Streich glückte, die Tür wurde geöffnet, und nun drangen die Verfolger gewaltsam ins Haus. Mit blanker Waffe erzwangen sie den Zugang zu den Schlafenden und hieben dann rücksichtslos auf sie ein. Bis auf einen fielen alle der blutigen Exekution zum Opfer. Dem aber war es gelungen, sich bei der Dunkelheit und in dem schaurigen Durcheinander unter den Tisch zu drücken, wo er die entsetzlichen Minuten dieses grausigen Strafvollzugs zitternd und bebend durchlebte.“ (Sauerländer S. 280 und Lüdenscheider Wochenblatt 22. Jan. 1887, Bericht des Sohnes Fr. J. Röther)

Heute kennen wir die genauen Zahlen und Namen der ca. 20 eingezogenen und meistens gefallenen Soldaten aus Lüdenscheid (ca. 1 800 Einwohner) noch nicht, auch wenn gesagt wurde, dass getötete Soldaten – die auch damals Helden genannt wurden - nie vergessen würden. Diese Zeilen erinnern an die Unbekannten. Die Sterbeurkunden von 1809 bis 1814 fehlen im Register der evangelischen Kirche. Weitere Forschungen nach möglichen Quellen sind notwendig. Den Napoleonischen Kriegen folgten – genauso wie dem I. und II. Weltkrieg - schwere Hungernöte mit vielen Toten. Sie waren die Opfer, die nie mitgezählt wurden. Damals wie heute stellt sich die Frage, ob und unter welchen Bedingungen der Herrscher Menschenleben für seine Interessen und Ideen in Kriege und in den Tod schicken darf.

Oktober 2006

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