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Vom Umgang des Ruhrverbands mit der Wahrheit
(Ansprache von Matthias Wagner)
Das deutsche Wort "leugnen" und das Wort "lügen" stammen von dem alten Wort "Lug" (vgl. Kluge: Ethymologisches Wörterbuch). Das ist uns noch in der Redewendung "Lug und Trug" bekannt.
Die Stadt Lüdenscheid hat sich nach 1996 darum bemüht, das Schicksal von ca. 5 000 Inhaftierten im Arbeitserziehungslager Hunswinkel aufzudecken. Der Ruhrverband lehnte damals ein Mahnmal an der Staumauer und an der ersten Bucht des Fußwanderwegs auf der Ostseite der Versetalsperre ab. Nach langen Verhandlungen erklärte sich der Ruhrverband bereit, die Aufstellung des Mahnmals von Heinz Richter an der südlichen Ecke des Wanderparkplatzes Klamer Brücke zuzulassen.
Im Frühjahr 2003 - nach der Errichtung des Hunswinkel-Denkmals, nach mehreren Hinweisen auf die Lückenhaftigkeit der Diaschau des Ruhrverbands, nach der Veröffentlichung des Buches "Arbeit macht frei" über die Zwangsarbeit in Hunswinkel, nach zwei Briefen zu diesem Thema an den Ruhrverband - geht dieser hin und stellt eine Reihe von Informationstafeln über den Versestausee und seine Geschichte auf, ohne das Arbeitserziehungslager zu erwähnen, in dem viele Menschen für den Ruhrverband arbeiten und ihr Leben lassen mussten.
Ist dieses Verschweigen eine Unwahrheit oder sogar eine Lüge? Jedenfalls wird die Wahrheit dadurch gefälscht. In Deutschland wird das Verschweigen und das Leugnen der Ermordung von 6 Mio Juden "Auschwitzlüge" genannt. Es ist das Gedankengut der Rechtsradikalen und Verfassungsfeinde.
Der Ruhrtalsperrenverband verschweigt die ca. 550 Toten des Arbeitserziehungslagers. Da muss sich jeder fragen, ob das Leugnen des Lagers Hunswinkel, wo auch Juden ums Leben gebracht wurden, nicht zur Auschwitzlüge gehört und der Ruhrverband sich den Verfassungsfeinden nähert. Wegen dieser ungeheuren Provokation stellt die Friedensgruppe im Dienst der Wahrheit eine ergänzende Tafel neben die einseitigen und lückenhaften Informationen des Ruhrverbands, der offensichtlich die Wahrheit verschweigt.
Ansicht des Arbeitserziehungslagers Hunswinkel (liegt heute unterhalb des Wasserspiegels), in dem zwischen August 1940 und April 1945 ca. 5000 ausländische Zwangsarbeiter und deutsche Erziehungshäftlinge beim Bau der Versetalsperre im Auftrage des Ruhrverbandes, ausgeführt durch den Essener Konzern Hoch Tief, ausgebeutet wurden, von denen ca. 550 bestialisch zu Tode gebracht wurden. |
Die Friedensgruppe fordert vom Ruhrverband, der mit der Wasserversorgung öffentliche Sicherheitsaufgaben wahrzunehmen hat, dass er die volle Wahrheit sagt und nicht durch Verleugnen "Lug und Trug" fördert und den Verleugnern der NS-Verbrechen und Verfassungsfeinden zuarbeitet. Nach der Auschwitzlüge darf es keine Hunswinkellüge geben.
Wenn wir heute das gute Wasser der Verse trinken, dann ist der bittere Beigeschmack, dass die Talsperre unter unmenschlichen Bedingungen von Häftlingen aus 10 europäischen Staaten gebaut wurde. Die ca. 550 Toten hinterlassen den Auftrag, das nicht zu vergessen, damit die Menschenwürde in Deutschland und Europa immer verteidigt wird.
Folgende Inhalte schlagen wir für eine Informationstafel vor, die wir am 21.06.2003 bereits im Entwurf den Schautafeln des Ruhrverbandes hinzugefügt haben.
Informationstafel AEL Hunswinkel
Arbeitserziehungslager Hunswinkel 1940-1945:
Vernichtung durch Arbeit, Schläge und Hunger
Am 24. August wurde in Hunswinkel das erste "Arbeits- und Erziehungs-lager" der Nationalsozialisten eröffnet. Hierhin kamen Arbeiter, die sich in den Betrieben an Rhein und Ruhr nicht den Anordnungen der sogenannten Betriebsführer fügten. Bei der Einweisung arbeiteten die Betriebszellen der Deutschen Arbeitsfront, das Arbeitsamt und die Gestapo (Geheime Staatspolizei) zusammen.
In der Einrichtung der Arbeitserziehungslager trafen sich die Interessen der Nationalsozialisten, des Militärs, der Polizei und der Wirtschaft zur Disziplinierung von unfolgsamen Arbeitskräften, ohne dass die Bestraften an die großen Konzentrationslager der SS verloren gingen.
Wachkommando der Schutzpolizei Dortmund im Arbeitserziehungslager Hunswinkel |
1940-1942: Disziplinierung durch Schwerstarbeit
Die Wachmannschaft des Arbeitserziehungslagers kam von der Stapostelle Dortmund, die Verantwortung lag bis 1942 in Düsseldorf und dann in Dortmund. Im Auftrag des Ruhrtalsperrenverbands baute Hoch-Tief hier
die Verse-Talsperre, die mit der Zerstörung der Möhnetalsperre immer wichtiger wurde. Die Kosten für den Unterhalt des Lagers übernahm der Ruhrtalsperrenverband.
Bis 1942 waren hier in der Regel 100-200 meist deutsche Arbeiter für 6 Wochen inhaftiert. In dieser Zeit gab es vermutlich keine Todesopfer. Dennoch waren die Bedingungen sehr hart. Josef von Basten aus der ersten Häftlingsgruppe berichtete vor Gericht: "Misshandlungen sind in Hunswinkel an der Tagesordnung gewesen:" Wechselbäder (heiß, eiskalt), Einsperren in eine winzige Dunkelkammer, Schläge mit der Peitsche auch ins Gesicht, Schwerstarbeit im Laufschritt u.a.
Blick auf die Baustelle. |
1942-1944: Vernichtung durch Arbeit
Ab Mai 1942 kamen meistens Fremdarbeiter hierhin und wurde die Haftzeit auf 3 Monate erhöht. Der größte Teil bestand aus Russen, weswegen das Lager Russenlager und der benachbarte Friedhof (Hühnersiepen) Russenfriedhof genannt wurde. Die Zahl der Häftlinge wurde auf 600 erhöht. Das Lager war völlig überfüllt. Kleidung, sanitäre Einrichtungen und besonders die Nahrungsmittel reichten nicht aus. Viele hundert Inhaftierte starben an Hunger, Schlägen, Überarbeitung, Erschöpfung, Tbc und durch Exekutionen. Nach den Angaben der Kriegsgräberfürsorge kamen hier ca. 550 Menschen ums Leben.
März/April 1945: Lager mit Juden u. polit. Verfolgten
Aus dem Rheinland wurden politisch verfolgte und jüdische Deutsche nach Hunswinkel getrieben. Der ehemalige Häftlinge Peter O. aus Düren berichtet 40 Jahre später: "Ich habe sie (die Erschossenen) selbst mit begraben. ... Da war auch eine Frau dabei, die hatte noch ihr Baby im Arm, und das Kind lag ihr im Arm und lebte. Das Kind schrie ja und bewegte sich ... Ein anderer warf die Erde drauf. Ich musste mich übergeben. Das Kind ist elendiglich in der Erde erstickt. Es war noch so klein." Mindestens zwei jüdische Deutsche kamen in Hunswinkel ums Leben. Ob er mehr waren, bleibt ungewiss. Auch die Zahl der politischen Todesopfer ist unbekannt. Von ca. 550 Todesfällen sind nur 117 in den Sterbebüchern der Gemeinde Lüdenscheid beurkundet: 93 Russen, 10 Niederländer, 9 Deutsche, 2 Polen, 1 Italiener, 1 Luxemburger. Die Todesursachen der 93 Russen lauten offiziell: 33 x Herzschlag/Herzschwäche/Herzblock, 27 x auf der Flucht erschossen, 5 x Erschießung (Hinrichtung), 5 x Erhängung (Hinrichtung), 1 x in Notwehr erschossen, 1 x tot im Bett aufgefunden, 2 x Lebensmittelvergiftung (Verzehr von Abfall wegen Hunger).
Auf unsere anhalteden Bemühungen hin hat der Ruhrverband beschlossen, einen Historiker zu beauftragen, die Geschichte des Zwangsarbeitereinsatzes beim Ruhrtalsperrenverband zu erforschen und zu dokumentieren. Dieser, Herr Professor Dr. Günter Brakelmann möchte sich mit Vertretern der Friedensgruppe zu einem ersten Austausch treffen. Unser Antwortbrief:
Friedensgruppe Lüdenscheid
Südstraße 50
58509 Lüdenscheid
08.11.2003
An den
Ruhrverband
in Essen
Sehr geehrte Damen und Herren,
über den gestrigen Anruf von Herrn Prof. Dr . Günter Brakelmann bei Herrn Stadtarchivar Dieter Saal (Friedensgruppe Lüdenscheid) haben wir uns gefreut. Das Gespräch mit dem von Ihnen beauftragten Herrn Professor Brakelmannn nehmen wir gerne am Donnerstag, den 13 November, um 17 Uhr im Museum an. Entgegen Ihren Aussagen verfügt die Friedensgruppe über keine Dokumente aus der Zeit der Errichtung des Arbeitserziehungslagers Hunswinkel. Das Buch "Arbeit macht frei" (1997) und der Aufsatz " Das Arbeiterziehungslager" in: Märkischer Kreis (Hrsg.): von Matthias Wagner - Historiker am hiesigen Bergstadt- Gymnasium - wurden auf der Grundlage der Archivmaterialien in Lüdenscheid, Altena, Münster, Düsseldorf, Ludwigsburg und Nürnberg erstellt. Diese öffentlichen Einrichtungen sind allen zugänglich. Ihre Unterlagen durften von Matthias Wagner für die Ausarbeitungen nicht genutzt werden. Diese Lücke könnte nun geschlossen werden, um ein genaueres Bild vom damaligen Geschehen zu erstellen, woran wir sehr interessiert sind. Außerdem könnten noch Aussagen von zwei Zeitzeugen, die sich nach den beiden Publikationen meldeten, genutzt werden:
Frau Sikora, geb. Kreikebaum, die in Hunswinkel geboren wurde und Herr Kellermann, der bei der Vorfüheung des Films seines verstorbenen Vaters über den Bau der Versetalsperre im Oktober 2003 sagte, das er manches über das Lager erzählen könne,
Mit freundlichen Grüßen
Mathias Wagner, Bernd Benscheidt
Friedensgruppe Lüdenscheid