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Vor 75 Jahren ernannte der Stadtrat Lüdenscheids Adolf Hitler zum Ehrenbürger: 18.4.1933

Der Erste Weltkrieg hatte auch in Lüdenscheid zu schweren gesellschaftlichen Spannungen geführt. Sieht man sich die Wahlergebnisse an, dann wird deutlich, dass die demokratische Mitte nur von einem Teil der Bevölkerung unterstützt wurde und mit der Weltwirtschaftskrise ab 1929 an revolutionäre Linke und eine rechtsradikale Mehrheit verlor. Die Zeit der "Goldenen Zwanziger" gab es nur zwischen 1924 und 1928. Aber auch in den politisch und wirtschaftlich relativ stabilen Jahren lag die Zahl der Arbeitslosen meistens bei zehn Prozent. Dadurch wurde das Vertrauen in die Demokratie gestört.

Schon im September 1930 waren Kinder durch die Straßen Lüdenscheids gezogen und hatten "Heil Hitler" und "Juda verrecke" gerufen. Umzüge des örtlichen SA-Sturms 102 (der gewalttätigen Kampfgruppe der NSDAP) hatten ihnen das vorgemacht. Zu ihm zählten im Juni 1932 schon 282 Mann. Als die Kommunisten nach der Ernennung Adolf Hitlers am 30.1.1933 zum Reichskanzler auf dem Rathausplatz eine Protestversammlung veranstalteten, griff die hiesige Polizei unter dem sozialdemokratisch orientierten Polizeichef Rüdiger nicht ein, weil die Meinungs- und Versammlungsfreiheit galt. Dagegen protestierte die hiesige NSDAP, die nicht im Stadtrat vertreten war, beim Polizeipräsidenten in Bochum. Dieser schickte schon am 22. Februar einen neuen Polizeichef, der vor dem Reichstagsbrand und vor der diktatorischen "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat" (27./28.2.1933) hart gegen Kommunisten vorging. Um die absolute Mehrheit im Reichstag zu gewinnen, ordnete Reichskanzler Adolf Hitler die Reichstagswahl vom 5. März an. In Deutschland wählten 44 % die NSDAP, in Lüdenscheid 33 %. Bei der Wahl des Stadtrats am 12. März gewann die NSDAP 13 Sitze, die SPD 8, die KPD 6, "Schwarz-Weiß-Rot" 4, das Zentrum 2, der Ev. Volksdienst 1 und die DVP 1 Sitz. Jedoch wurde die KPD verboten und die Kommunisten wurden verfolgt. Bereits am 29. März brachten die hiesige Polizei und SA fünf inhaftierte Lüdenscheider Kommunisten in das ehemalige Arbeitshaus in Lippstadt-Benninghausen, das als "wildes Konzentrationslager" eingerichtet worden war. Viele Kommunisten wurden dort zusammengeschlagen.

 Im Gegensatz zu der brutalen Verfolgung Andersdenkender standen die aufwändigen und beeindruckenden Großveranstaltungen. In Potsdam organisierten die Nationalsozialisten einen feierlichen patriotischen Tag, indem sie in der dortigen Garnisonskirche die Verbindung zwischen den preußischen Königen, dem General und Reichspräsidenten Hindenburg und dem nationalsozialistischen Führer Hitler herstellten. Diese "Bündelung aller Kräfte" im national(sozialistisch)en Geist wurde am gleichen Abend, dem 21.März, unter der Leitung des parteilosen Oberbürgermeisters Dr. Ludwig Schneider an der Bismarcksäule in der Kaiserallee (heute: Vorplatz der Albert-Schweitzer-Schule) gefeiert.

altes rathaus mit hakenkreuzbeflaggungDorthin war ein großer Zug durch die mit Hakenkreuzfahnen geschmückte Stadt mit dem Reiterverein, der städtischen Kapelle, den NSDAP-Mitgliedern, dem Oberlyceum, dem Stahlhelm, den Pfadfindern, dem Akademikerverband, dem Jungdeutschen Orden, dem Wehrwolf, Fahnengruppen, militärischen Vereinen, Kriegskameradschaften, Jägern, Schützen, Wehrverein, Sportvereinen, Eisenbahnern, Postbeamten, Arbeitern, Angestellten und Beamten der Stadt und des Amtes, Feuerwehr, Sanitätern, Rotem Kreuz und insgesamt 337 Fahnen gezogen.

Eine Woche später, am 1. April, zeigten NSDAP und SA ihre "Stärke", indem sie gegen die ca. 10 Geschäfte jüdischer Lüdenscheider einen Boykotttag organisierten. Vor den Eingangstüren standen Uniformierte, die jeden Käufer daran hinderten, die Geschäfte zu betreten. Eine Ansammlung vor dem Gewerkschaftshaus nahm zeitweise einen bedrohlichen Charakter an und es kam zur Schließung vermutlich aller Geschäfte mit jüdischen Besitzern oder Pächtern. SPD-Stadtverordnete, darunter ein Gewerkschaftssekretär und ein Angestellter der SPD-Zeitung "Volksstimme" wurden in Schutzhaft genommen.

ehrenbuergerurkundeIn der Sitzung vom 18. April 1933 beschloss der Stadtrat "auf Antrag der Fraktion der NSDAP und des Kampfbundes Schwarz-Weiß-Rot einstimmig" die Übertragung der Ehrenbürgerschaft an den Reichspräsidenten von Hindenburg und den Reichskanzler Hitler. "Der Bürgermeister erklärte, dass der Magistrat diesem Beschluß einmütig zustimme. Die Stadtversammlung beschloß fernerhin einstimmig die Benennung des Karlsplatzes als Adolf-Hitler-Platz" (Ratsprotokoll). Gegen die Ehrenbürgerschaft Hitlers nahmen die Vertreter der SPD Stellung und blieben deshalb der Sitzung fern. Deshalb wurden sie genauso wie die Kommunisten für immer ausgeschlossen. 1946 wurden Hitlers festschrift und Hindenburgs Ehrenbürgerschaft vom Stadtrat Lüdenscheids aufgehoben und die nationalsozialistischen Ortsbezeichnungen (Adolf-Hitler-Platz, Horst-Wessel-Straße, SA-Straße) abgeschafft. Nach 13 Jahren Diktatur, Rassismus, Terror und Krieg, denen 3 500 Menschen in und aus Lüdenscheid zum Opfer fielen, wandte sich der Stadtrat vom nationalsozialistischen Wahn und seinem Anführer Adolf Hitler ab.

In Lüdenscheid hatte es nur 10 Jahre gedauert, bis aus dem kleinen NSDAP-Stützpunkt die mächtigste antidemokratische Partei der Weimarer Republik wurde, die Lüdenscheid und Deutschland in die Diktatur, die rassistische Unmenschlichkeit und den totalen Krieg führte.

Matthias Wagner
Dieter Saal
Friedensgruppe Lüdenscheid


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